Krater unterm Eis: Kein Asteroideneinschlag in Grönlands Eisschild

Ein 31 Kilometer großer Krater im Norden Grönlands gibt Rätsel auf. Er scheint zu gut erhalten, um wirklich alt zu sein. Doch nun zeigen Isotopendaten ein überraschend hohes Alter.

Der bisher als sehr jung eingeschätzte Hiawatha-Krater in Westgrönland entstand lange vor der Vereisung der Insel. Das ist das Ergebnis detaillierter Isotopenuntersuchungen an Sand und Mineralen, die ein Team um Gavin G. Kenny vom Schwedischen Museum für Naturgeschichte in Stockholm durchführte. Wie die Arbeitsgruppe in »Science Advances« berichtet, setzte ein Ereignis die als »geologische Uhr« genutzten Element- und Isotopenverhältnisse der Proben vor 58 Millionen Jahren auf null zurück.

Gleichzeitig zeigen Zirkone mit derart zurückgesetztem Uran-Blei-Verhältnis charakteristische Schäden im Kristallgitter, die durch die extreme Stoßwelle eines Asteroideneinschlages entstanden sein können. Die Fachleute schließen daraus, dass der Krater lange vor dem aktuellen Eiszeitalter entstand.

Die Entdecker des Kraters, eine Arbeitsgruppe um Kurt H. Kjær vom Museum für Naturgeschichte in Kopenhagen, hatten 2018 dagegen eine spektakuläre Hypothese aufgestellt. Vor weniger als drei Millionen Jahren, während des Pleistozäns, sei dort ein etwa einen Kilometer großer Asteroid in den grönländischen Eisschild eingeschlagen – in der allerjüngsten geologischen Vergangenheit. Der 31 Kilometer messende Krater sei kaum erodiert und überlagere Kanäle unter dem Eis.

Radardaten des Eises selbst zeigten, dass Eisschild und Krater noch nicht im Gleichgewicht seien, sogar Indizien für Resthitze des einst vom Einschlag geschmolzenen Gesteins glaubten die dänischen Fachleute ausmachen zu können.

Allerdings gab es schon damals einige Ungereimtheiten. Ein so junger Einschlag sollte eine dicke und leicht zu findende Decke aus Gesteinstrümmern in der gesamten Region hinterlassen haben. Außerdem hätte ein Asteroid dieser Größe dramatische Effekte für das Klima haben müssen – und das Klima des Pleistozäns ist unter anderem aus Eisbohrkernen gut bekannt. Die Daten des Teams um Kenny lösen den Widerspruch jetzt elegant auf: Der Einschlag ist viel, viel älter. Statt in eine kilometerdicke Eiskappe schlug er vermutlich in üppige subtropische Wälder ein, denn vor 58 Millionen Jahren herrschte auf der Erde noch eine Heißzeit.

Praktischerweise passt das Datum auch zu einer als »Paleocene Carbon Isotope Maximum« bezeichneten Auffälligkeit im Kohlenstoffkreislauf. Unpraktischerweise deutet dieses Signal aber eben nicht auf die globale Katastrophe hin, die man mit dem Einschlag eines kilometergroßen Himmelskörpers assoziieren würde – sondern auf eine Phase reichen und üppigen Lebens. Wie das zusammenpasst, ist unklar. Während also das Alter des Hiawatha-Kraters damit nun wohl zweifelsfrei bestimmt ist, bleiben die wirklich interessanten Fragen rund um das runde Loch unter dem Gletscher bisher unbeantwortet.

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